14.05.2024
Einkommenssteigerungen von ca. 20 Prozent, Reduzierungen der Wochenarbeitszeit bei vollem Lohnausgleich und der in Unternehmen und Behörden genutzte Inflationsausgleich von bis zu 3.000 EUR sind bislang an den öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen vorbeigegangen.
Während all diese Maßnahmen in vergleichbarer Größenordnung im Tätigkeitsumfeld der Sachverständigen, etwa im Öffentlichen Dienst oder bei Beamten vollumfänglich Anwendung fanden, müssen die öffentlich bestellten Sachverständigen mit der Begründung geltender Gesetze und Verordnungen weiter auf festen Sätzen eines veralteten Honorarniveaus verharren. Die Basis dafür stellt das auf Grundlage eines 2017 (!) erfassten Honorarspiegels bindende Justizvergütungs- und –entschädigungsgesetz (JVEG) von 2021 dar.
Einer Umfrage des Bundesverbands öffentlich bestellter und vereidigter sowie qualifizierter Sachverständiger e. V. aus 2023 folgend, differenzieren die Sachverständigenhonorare zwischen privatwirtschaftlichen und öffentlichen Aufträgen mittlerweile um bis zu 200 Prozent. Damit sinkt natürlich die Motivation für eine Sachverständigentätigkeit, insbesondere für eine öffentliche Bestellung als Sachverständiger. Die dringend notwendige Nachwuchsgewinnung im Sachverständigenwesen, resultierend aus zunehmendem Fachkräftemangel und einer dadurch hervorgerufenen Mehrbelastung der momentan bestellten Sachverständigen, wird damit untergraben.
Kein Wunder also, dass Sachverständige kaum für Aufgaben vor Gerichten oder für öffentliche Aufträge zu gewinnen sind und durch diesen Mangel die Dauer von derartigen Verfahren stetig zu- und die Qualität der Bearbeitung nach Aussagen vieler Beteiligter abnimmt. Dabei sind Sachverständige gefragter denn je.
Vor diesem Hintergrund hat der Sachverständigenausschuss der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt in seiner ersten Sitzung dieses Jahres beschlossen, über die Bundesingenieurkammer aktiv auf den Bundesgesetzgeber zuzugehen, um zeitnah eine objektive Anpassung der Honorarsätze für öffentlich bestellte Sachverständige zu erreichen.
Hierbei sollten sowohl die aktuellen Einkommenserhöhungen in vergleichbaren Bereichen herangezogen werden und auch die erhöhten Belastungen durch tätigkeitsbezogene Mehraufwände, steigende Bürokratisierung der Tätigkeit trotz Fachkräftemangel und stetig zunehmende fachliche Qualifikationsbedarfe Berücksichtigung finden.
Ohne anforderungsgerechte Anpassungen der Honorarsätze ist in absehbarer Zeit mit einer stark sinkenden Bereitschaft zur Aufnahme von Sachverständigentätigkeiten für die öffentliche Hand zu rechnen. Wir werden über die erwähnten Aktivitäten weiter berichten.
Dr.-Ing. Mike Kersten
Vorsitzender Sachverständigenausschuss
Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt