Sachverständige müssen ein elektronisches Postfach haben!
Das E-Justiz-Gesetz gibt einen klaren Zeitrahmen zur Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs vor
Auswirkungen für öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige:
- Seit dem 01.01.2020 sind die Gerichte flächendeckend elektronisch erreichbar.
- Im zweiten Schritt sind seit dem 01.01.2022 alle Anwälte, Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts zur elektronischen Einreichung bei Gericht verpflichtet.
- Und schließlich ist seit dem 01.01.2024 ein sicherer elektronischer Übermitt-lungsweg für sonstige „in professioneller Eigenschaft am Prozess Beteiligte, bei denen von einer erhöhten Zuverlässigkeit ausgegangen werden kann“ gesetzlich vorgesehen (§ 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).
Das OLG Hamm bejaht in seinem Beschluss vom 01.07.2024 (22 U 15/24) die Profi-Eigenschaft von öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen im vorgenannten Sinn. Bei diesen Sachverständigen sei aufgrund der öffentlichen Bestellung auch von einer erhöhten Zuverlässigkeit auszugehen. So wird z.B. durch die Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt als Bestellungskörperschaft geprüft, ob der Sachver-tändige ausreichende Gewähr für Unparteilichkeit, Unabhängigkeit, Objektivität und Einhaltung der Pflichten eines Sachverständigen bietet (siehe Sachverständigenordnung der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt).
Im Ergebnis verpflichtete das OLG Hamm den dortigen Sachverständigen ein elektronisches Postfach einzurichten, das für die elektronische Zustellung von Dokumenten auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne von § 130a Abs. 4 ZPO geeignet ist.
Das OLG Hamm will die Sachverständigen aber insoweit nicht „im Regen stehen lassen“. Wörtlich heißt es in der Entscheidung:
„Nach Auffassung des Senats sind allerdings die Verwaltung und der Gesetzgeber aufgerufen, durch die Optimierung der technischen Möglichkeiten und eine angemessene Berücksichtigung von durch die Nutzung des elektronischen Rechtverkehrs verursachten Mehrkosten bei der Vergütung ein Umfeld zu gewährleisten, welches die Tätigkeit des Gerichtssachverständigen noch hinreichend attraktiv erscheinen lässt.
Denn die Gerichte sind auf eine ausreichende Anzahl von hochqualifizierten Gerichtssachverständigen angewiesen, um die anstehenden, diesbezüglich beweisbedürftigen Verfahren zügig und qualitativ hochwertig erledigen zu können.“
Anders als für Anwälte mit dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach (beA) und für die öffentliche Hand mit dem besonderen elektronischen Behördenpostfach (bePO) existiert für Sachverständige derzeit noch kein besonderes elektronisches Postfach für die Kommunikation mit den Gerichten.
Es stehen aber mehrere Möglichkeiten zur Verfügung, um den gesetzlichen Anforderungen des § 173 Abs. 2 Nr. 1 ZPO bereits jetzt rechtssicher genügen zu können:
- Sachverständige können das kostenlose "Mein Justizpostfach" (MJP) nach dem OZG nutzen, das einen sicheren Übermittlungsweg gem. § 130a Abs. 4 Nr. 5 ZPO eröffnet. Für die Verwendung des MJP wird zur Identifizierung ein bundID-Konto benötigt. Weitere Informationen finden Sie auf www.egvp.de und auf mein-Justizpostfach.bund.de. Damit ist keine Sachverständigenkarte mehr notwendig. Sie legitimieren sich über ein zu erstellendes Nutzerkonto bundID und Ihrem Personalausweis über die AusweisApp2.
- Darüber hinaus haben Sie die Möglichkeit, das kostenpflichtige, aber dafür gegenüber dem MJP leistungsfähigere und nutzerfreundlichere besondere elektronische Bürger- und Organisationenpostfach (eBO) einzurichten, welches einen sicheren Übermittlungsweg gem. § 130a Abs. 4 Nr. 4 ZPO be-gründet. Weitere Informationen hierzu finden Sie unter egvp.justiz.de/buerger_organisationen/index.php.
Rechtsanwalt für Bau- und Architektenrecht
Justiziar der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt