Lade Daten...
24.10.2024

Einfach bauen? Wie der Gebäudetyp E den Wohnungsbau ankurbeln soll

Um die Neubaulücke langfristig zu schließen, soll der Wohnungsbau nun ab 2025 deutschlandweit günstiger und bürokratische Hürden abgebaut werden

Hohe Zinsen für Immobilienkredite und steigende Baupreise durch teure Materialien sorgen derzeit weiterhin für Zurückhaltung im Bauwesen. Viele Bauvorhaben werden verschoben oder abgesagt, besonders der Wohnungsbau ist stark betroffen.

Laut einer aktuellen Meldung des Statistischen Bundesamtes wurde im Mai 2024 in Deutschland der Bau von 17.800 Wohnungen genehmigt, im Vergleich zum Vorjahresmonat ein Rückgang von 24,2 Prozent (5.700 Baugenehmigungen weniger). Auch das statistische Landesamt von Sachsen-Anhalt in Halle meldete, dass die Zahl der Baugenehmigungen im Land im ersten Halbjahr 2024 deutlich zurückgegangen ist - besonders bei Wohngebäuden. Insgesamt genehmigten die Behörden 10,8 Prozent weniger Bauvorhaben als im Vorjahreszeitraum. Im Wohnbereich sank die Zahl der Genehmigungen um 16,7 Prozent [Quelle: Statistisches Landesamt]

Ein Grund für die rückläufigen Zahlen sind die hohen Baukosten. Wirtschaftskreisen zufolge werden diese auch durch einzuhaltende Komfort-Standards verursacht. Sie sind allerdings Teil der anerkannten Regeln der Technik, die nach dem deutschen Vertragsrecht automatisch als vereinbart gelten.

Mit Gebäudetyp E zum Ziel?
Um die Neubaulücke langfristig zu schließen, soll der Wohnungsbau nun ab 2025 deutschlandweit günstiger und bürokratische Hürden abgebaut werden. Auf Anregung der Bundesarchitekten- und Bundesingenieurkammer hat das Bundesjustizministerium am 29. Juli 2024 einen Entwurf für die Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unter dem Stichwort - Gebäudetyp E - als Erweiterung des § 650a BGB vorgelegt. Durch eine entsprechende Änderung des darin enthaltenden Bauvertragsrechts, soll die Grundlage für ein erleichtertes Planen und Bauen geschaffen werden, um künftig rechtssicher von kostenintensiven Baustandards, insbesondere Komfort- und Ausstattungsmerkmalen, abweichen zu können.

© Bildnachweis: iStock/ sl-f



Das Gebäudetyp-E-Gesetz sieht im Wesentlichen drei Änderungen des Bauvertragsrechts vor:
• Der Begriff der „anerkannten Regeln der Technik“ soll konkreter gefasst werden. Durch eine neue Vermutungsregel im BGB soll erreicht werden, dass reine Komfort-Standards im Allgemeinen nicht als „anerkannte Regeln der Technik“ gewertet werden.

• Ferner soll in Verträgen zwischen fachkundigen Unternehmern die Abweichung von „anerkannten Regeln der Technik“ erleichtert werden.

• Schließlich soll ein Abweichen von „anerkannten Regeln der Technik“ nicht mehr automatisch ein Sachmangel sein, wenn kein Schaden vorliegt. [Quelle: BMJ]

E wie experimentell oder einfach – dafür steht der sogenannte Gebäudetyp E
Wie „einfaches“ Bauen in der Praxis funktionieren kann, zeigte sich bereits mit dem Startschuss des Bayerischen Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr im Dezember 2023 für insgesamt 19 Pilotprojekte zum Gebäudetyp E, die nun in fast allen Regierungsbezirken im Freistaat Bayern realisiert werden - darunter 15 Wohnbauprojekte, drei kommunale Schulbauprojekte und ein Verwaltungsgebäude, Bauten im Bestand ebenso wie Neubauten. Dabei soll unter wissenschaftlicher Begleitung generell geprüft werden, ob mit normabweichenden und innovativen Lösungen das Planen und Bauen erleichtert und Kosten gespart werden können und wo gesetzlicher Handlungsbedarf besteht.

Nachdem Bayern bereits im August 2023 auf Initiative der Bayrischen Architektenkammer ein „Recht auf Abweichung“ in die Bayrische Bauordnung aufgenommen hat, haben in diesem Jahr weitere Bundesländer nachgezogen, darunter Sachsen und Niedersachsen. Auch in Sachsen-Anhalt wird derzeit die gesetzliche Verankerung des Gebäudetyps E in der Landesbauordnung diskutiert. Denn neben steigenden Bodenpreisen würden eben auch die zunehmenden Anforderungen durch technische Standards und Regelwerke zu kontinuierlich steigenden Baukosten beitragen und demnach den (bezahlbaren) Wohnungsbau im Land hemmen.


Richtig eingesetzt, kann der Gebäudetyp E größere Flexibilität sowie ressourcenschonendes, bedarfsgerechtes und kostengünstiges Bauen fördern, ohne dabei auf sicherheitsrelevante Standards wie etwa die Statik oder den Brandschutz zu verzichten. So müssen derzeit beim Bauen unter anderem eine Vielzahl von Vorgaben eingehalten werden, die für Gebäudesicherheit und Wohngesundheit keine Relevanz haben. Die Dimensionierung der Geschossdecken von Wohnungsneubauten ist dafür ein gutes Beispiel. Durch die Kombination von Anforderungen an Tragwerk und erhöhten Schallschutz ergeben sich häufig größere Deckendicken als rein statisch erforderlich. Allein eine Reduzierung des Trittschalls kann hier zu geringeren Deckenstärken und damit zu Materialeinsparung führen.

Weiterhin würde bei der Sanierung von Bestandsgebäuden mit Holzbalkendecken ein Verzicht auf erhöhte Schallschutzanforderungen der DIN 4109-5 einen zusätzlichen Fußbodenaufbau vermeiden. Das führe auch dazu, dass auf Türanpassungen und ggf. eine statische Ertüchtigung der Decken verzichtet werden kann, was gleichzeitig die Anzahl bauliche Eingriffe verringert.

Von der Idee in die Praxis
Um den neuen Planungsansatz für die Auftraggeber und Auftragnehmer gleichermaßen praktikabel zu gestalten und damit den ersehnten Aufschwung für den Wohnungsbau herbeizuführen, bedarf es dennoch zusätzlicher Rechtssicherheit für den Gebäudetyp E. So unterscheidet der Entwurf des Bundes aktuell zwischen fachkundigen und nicht fachkundigen Unternehmen im Wohnungsbau. Der Begriff des fachkundigen Unternehmens ist bislang allerdings nicht eindeutig definiert, damit würde der Gebäudetyp E mit hoher Wahrscheinlichkeit kaum Anwendung finden.

Außerdem müssen Ausstattungs- und Komfortansprüche sowie sicherheitsrelevante DIN-Normen klar abgrenzbar sein, um für den Rechtsanwender hinreichend sicherzustellen, welche Normen als „anerkannte Regeln der Technik“ gelten und welche nicht. Denn es gibt Normen, die überwiegend „Komfort“-Themen bestimmen, aber in einigen Absätzen auch sicherheitsrelevante Aspekte abdecken. Das kann dazu führen, dass die gesamte Norm wieder als anerkannte Regel angewendet wird. Somit könne auch das Haftungsrisiko nicht hinreichend gelöst werden.

Inwieweit der Gebäudetyp E daher zum erhofften Bürokratieabbau beitragen kann, das wird künftig die Praxis zeigen. „Den Gebäudetyp E in den Landesbauordnungen zu verankern kann ein erhebliches Verwaltungshandeln nach sich ziehen. Hinzu kommt der Zwang der rechtlichen Absicherung durch privatrechtliche Verträge“, so Vizepräsidentin Foerster.

Zielführend wäre wohl einen Kriterienkatalog für den Gebäudetyp E in die Musterbauordnung des Bundes aufzunehmen. Dieser könnte dann von den Ländern in die Landesbauordnungen übernommen werden. Ergänzend wäre im Werksvertragsrecht lediglich festzulegen, dass bei einer Bauausführung nach Gebäudetyp E kein Mangel vorliegt. So könnten Auftraggeber regelrecht ankreuzen, auf welchen Komfort sie zugunsten geringerer Kosten verzichten möchten.

Über die weiteren Entwicklungen zur Einführung des Gebäudetyps E werden wir Sie selbstverständlich fortlaufend informieren.