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21.11.2024

Parlamentarischer Abend in Magdeburg setzt Impulse für Bürokratieabbau

Ingenieur- und Architektenkammer, -vereine und -verbände im Gespräch mit der Landespolitik

Am 20. November 2024 fand unter dem Motto „Zwischen Aufbruch und Demokratie – Zukunft Sachsen-Anhalt“ ein Parlamentarischer Abend statt, der von Vertretern der Ingenieur- und Architektenkammer, -vereine und -verbände organisiert wurde. Ziel der Veranstaltung war es, konkrete Vorschläge zur Reduzierung bürokratischer Hürden und zur Beschleunigung von Planungs- und Bauprozessen mit der Landespolitik zu diskutieren.

Gastgeber waren der VBI Landesverband Sachsen-Anhalt, die Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt, der VDI Landesverband Sachsen-Anhalt, die Architektenkammer Sachsen-Anhalt und der BDA Landesverband Sachsen-Anhalt. Die Veranstaltung fand am Standort des Unternehmens regiocom SE in Magdeburg statt und bot eine Plattform für einen offenen Dialog über dringend notwendige Reformen.

© Bildnachweis: Alina Bülter



Der Abend wurde mit einem Impulsvortrag von Dr. Lutz Trümper, dem ehemaligen Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Magdeburg, eröffnet. Anhand praxisnaher Beispiele beleuchtete er die Vor- und Nachteile von einheitlicher Vorschriften und Standards. Während viele Fachkräfte diese als wertvolle Orientierung und Grundlage für rechtssichere Entscheidungen schätzen, wies er darauf hin, dass starre Regelungen häufig die Prozesse erheblich verlangsamen können. Er unterstrich die Notwendigkeit von Flexibilität auf der Entscheidungsebene, um Verwaltungsabläufe effizienter und zielgerichteter zu gestalten. Er plädierte für eine grundlegende Vereinfachung komplexer Vergabeverfahren und eine deutliche Reduzierung von Vorschriften. Zudem sprach er sich für die Übertragung umfassender Entscheidungsbefugnisse an die Kommunen aus, um eine effektivere und an den praktischen Bedürfnissen orientierte Umsetzung vor Ort zu ermöglichen.

© Bildnachweis: Alina Bülter



In der anschließenden Podiumsdiskussion wurde deutlich, dass ein strukturelles Umdenken dringend erforderlich ist. Die Teilnehmer sprachen sich für eine entschlossene Deregulierung und den Ausbau der Digitalisierung aus, um Planungs- und Bauvorhaben effizienter umzusetzen. Besondere Bedeutung wurde der eigenverantwortlichen Entscheidungsfindung zugeschrieben. Stichproben statt flächendeckender Prüfungen sowie eine gelebte Fehlerkultur wurden als zentrale Ansätze für pragmatische Lösungen hervorgehoben. Gleichzeitig wurde betont, dass der Fachkräftemangel in den Verwaltungen konsequent angegangen werden muss, um Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit sicherzustellen. Zudem wurde gefordert, Architekten, Stadtplaner und Ingenieure frühzeitig in die Gesetzgebungs- und Entscheidungsprozesse des Landes einzubinden, um praxisnahe und nachhaltige Lösungen zu gewährleisten.

Statements der Vertreter der Verbände und Institutionen

Eckhard Lambrecht, Vorstand Verband Beratender Ingenieure (VBI) Landesverband Sachsen-Anhalt: „Das Resümee aus dem gestrigen Parlamentarischen Abend ist eindeutig. Obwohl seit Jahrzehnten die Notwendigkeit eines Bürokratieabbaus erkannt und immer wieder diskutiert wird, muss erneut konstatiert werden, dass in Sachsen-Anhalt und darüber hinaus im Bund und der EU Zählbares kaum gelungen ist. Ob Vergabegesetze oder Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz - die Liste lässt sich fortsetzen. Aus den Koalitionen im Bund und den Ländern und aus der EU kommen zielorientiert immer wieder neue bürokratische Hürden und die Wirtschaft ächzt. Das fällt heute umso mehr ins Gewicht, weil der größte Wirtschaftsmotor der EU in negatives Wachstum geraten ist. Die EU und Deutschland sind international im Wettbewerb. Die USA als stärkster Verbündeter der freien Welt haben neu gewählt. Umso dringender muss die Frage beantwortet werden, ob sich Deutschland und die Europäer den ungebremsten Anstieg an Bürokratie und Staatsquote weiter leisten können. Es scheint daher wenig zielführend die Schuldenbremse zu lösen, um damit neue Verwaltungsstrukturen zu finanzieren.“

Jörg Herrmann, Präsident der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt: „Die großen Themen des Planens und Bauens bleiben der Wohnungsmangel, die steigenden Kosten sowie das ressourcenschonende und klimaneutrale Bauen. Herausforderungen, die das Ingenieurwesen auch über das Jahr hinaus beschäftigen werden. Der Bürokratieabbau und die Beschleunigung von Vergabeverfahren und Planungsprozessen können hier eine wichtige Hebelwirkung haben. Die Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt fordert daher, dass öffentliche Auftraggeber verstärkt auf digitale Lösungen setzen und klare technische sowie rechtliche Standards schaffen, um die bürokratischen Prozesse zu straffen. Denn besonders effizientere Verwaltungsstrukturen und eine stärkere Digitalisierung der Prozesse sind notwendig, um Projekte und Innovationen schneller voranzutreiben und damit die Wettbewerbsfähigkeit unserer Region zu stärken.“

Klemens Gutmann, Vorsitzender VDI Verein Deutscher Ingenieure (VDI) e.V. Landesverband Sachsen-Anhalt: „Es ist nicht ein Problem der Formulare. Es geht nicht darum, ein paar Formulare niederzukämpfen. Es geht darum, die Unternehmen von der Durchdringung mit unnötigen Verwaltungsaufgaben und weltfremden Auflagen zu befreien. Mein jüngstes kleines Beispiel: Ein Forschungsförderungsantrag von gut 100.000 Euro führte zu 175 Antragsseiten und 116 Unterschriften. Dem folgten über 30 Rückfragen meist nebensächlicher Natur. Dass wir den Antrag dann zurückgezogen haben, versteht sich quasi von selbst. Schlussendlich ist es preiswerter und risikoärmer, solche Prozesse selbst zu finanzieren. Dieses Erlebnis ist kein Einzelfall und führt zu einer wachsenden Kluft zwischen Realwirtschaft und Verwaltung. Mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz und anderen EU-induzierten Strukturauflagen ist diese Kluft noch einmal deutlich größer geworden.“

Prof. Axel Teichert, Präsident der Architektenkammer Sachsen-Anhalt: „Das Thema des Abends zeigt auf das Spannungsfeld, das wir in Sachsen-Anhalt und in der ganzen Republik überwinden müssen. Während einerseits das Land und sein Mittelstand Fachkräfte und Gestaltungsfreiheit in der freien Wirtschaft benötigen, um wieder kreativ und selbstbewusst Wachstum zu generieren, stehen andererseits bürokratische Hürden und extrem verlangsamte und komplizierte Verfahren in allen Bereichen dem Innovations- und Tatendrang unserer Freiberufler entgegen. Wir sind es, die das Fundament wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit bilden, und die den dringend notwendigen Wandel nicht nur im Bauwesen erst möglich machen. Wir fordern von der Politik: Lösen Sie endlich die Bürokratiebremse! Seien Sie mutig und stellen Sie sich mit unserem Land an die Spitze einer dynamischen Entwicklung im Zeichen von Qualität, Vielfalt, Kultur und Nachhaltigkeit!“

Ole Saalmann, Vorsitzender BDA Bund Deutscher Architekten Landesverband Sachsen-Anhalt e.V.: „Immer komplizierter werdende Baugenehmigungsverfahren sowie übertrieben umständliche Fördermittelverfahren sind ein realer Hinderungsgrund für Investitionen im Bausektor. Der auf Initiative der Architektenschaft entstandene Gebäudetyp E ist ein guter erster Schritt auf dem Weg zu einem einfacheren und kostengünstigeren Bauen. Bei der Umsetzung des Gebäudetyps E wird sich jetzt zeigen, ob ein Wille zum Bürokratieabbau vorhanden ist. Im Moment ist leider zu beobachten, dass die dringend notwendige Digitalisierung gleichzeitig zu einer weiteren Bürokratisierung führt. Prozesse werden vielfach nicht überdacht, sondern lediglich digital abgebildet und weiter verkompliziert. Lassen Sie uns stattdessen gemeinsam unsere Energie für eine qualitätsvolle und lebenswerte gebaute Umwelt einsetzen.“

© Bildnachweis: Alina Bülter



Impressionen zur Veranstaltung finden Sie hier.