TAG DER INGENIEURE 2014 in Sachsen-Anhalt
Veranstaltung der Ingenieurkammer mit den Ingenieurverbänden, -vereinen und -vereinigungen Sachsen-Anhalt am 27. März 2014 in Magdeburg
Es war eine Premiere: Erstmals führte die Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt gemeinsam mit den Ingenieurverbänden, -vereinen und -vereinigungen Sachsen-Anhalt den "TAG DER INGENIEURE 2014 in Sachsen-Anhalt" durch. Damit wollten die Veranstalter auf den Ingenieurberuf aufmerksam machen, mehr Mitgliedernähe erreichen und den konstruktiven Dialog unterstützen.
Die 14 Veranstalter stellten sich an diesem Tag der Öffentlichkeit. Eine gute Möglichkeit für Gäste aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Verwaltung, aus erster Hand zu erfahren, wie die öffentliche Wahrnehmung des Ingenieurberufes in der Gesellschaft gestärkt wird und welchen Anteil die Ingenieurinnen und Ingenieure an der Entwicklung des Landes haben.
Was sind die großen Herausforderungen für uns Ingenieure in diesem Jahr?
Drei Themen wurden in der Begrüßung des Präsidenten der Ingenieurkammer und Sprecher des Ingenieurrates Sachsen-Anhalt Dipl.-Ing. Jörg Herrmann angesprochen:
- Der Ingenieurberuf in der Gesellschaft - wir bündeln unsere Kräfte
- Demografische Entwicklung und Fachkräftesicherung - wir arbeiten in Netzwerken
- Technikentwicklung und ihr Einfluss auf den Ingenieurberuf in Europa - ein Paradigmenwechsel zu mehr Eigenverantwortung, fachlicher und sozialer Kompetenz im Ingenieurberuf!
Erstens. Oberstes Ziel der Veranstalter ist es, den Berufsstand des Ingenieurs zu stärken und voranzubringen. Dazu bedarf es einer großen Gemeinschaft Gleichgesinnter, die mit einer Stimme spricht, die sich Gehör verschafft und damit Einfluss auf Entscheidungsprozesse nehmen kann. Dies geschieht im regen Austausch der Ingenieurinnen und Ingenieure untereinander sowie in gegenseitiger Unterstützung, Hilfestellung und Absicherung. Jedes neue Mitglied in der Ingenieurkammer sowie in den Ingenieurverbänden, -vereinen und -vereinigungen stärkt unsere Position.
In Sachsen-Anhalt hat der Verein Deutscher Ingenieure seine Wiege. Unser Veranstaltungsort Kulturwerk Fichte ist traditionelle Industriekultur. Ingenieurberuf und Politik haben in unserem Land eine lange Tradition und sind deutschlandweit einmalig. Ein Drittel der Abgeordneten im Landtag von Sachsen-Anhalt sind Ingenieurinnen und Ingenieure. Prozentual auf die Bevölkerungszahl bezogen sind in der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt die meisten Ingenieure im Vergleich aller Bundesländer freiwillig organisiert.
Sachsen-Anhalt ist ein Land der Ingenieure!
Gemeinsam bündeln wir die Interessen von Ingenieurinnen und Ingenieuren, die für unser Land mit Mut, Kreativität und Einsatz einen wesentlichen Beitrag für ein wirtschaftliches Fundament leisten.
Zweitens. Sachsen-Anhalt ist von den Auswirkungen der demokratischen Entwicklung in Deutschland am stärksten betroffen. Der Rückgang der Erwerbszahlen bis zu Jahr 2030 beträgt 33 Prozent. Der Rückgang junger Menschen zwischen 19 bis 24 Jahre erfolgt bis zum Jahr 2025 um 48 Prozent.
Eine drastische Verbesserung der Willkommenskultur, weniger Verwaltungswillkür und eine engere inhaltliche Zusammenarbeit unserer Ingenieurinnen und Ingenieure mit den Hochschulen fordere ich ein!
Hauptthema in diesem Jahr ist die Nachwuchsgewinnung für den Ingenieurberuf. Neu dabei ist, dass die Ingenieurinnen und Ingenieure zu einem "Praxistag" für Schülerinnen und Schüler aus Sachsen-Anhalt aufgerufen wurden. Diesem Aufruf sind mir leider zu wenige Berufskollegen gefolgt!
Drittens. In einem Punkt sind sich alle Experten einig: Die vierte industrielle Revolution wird revolutionäre Auswirkungen auf den Ingenieurberuf in Deutschland haben; die Ausbreitung wird jedoch evolutionär sein. Um es genau zu nehmen, stecken wir schon mitten in dieser Entwicklung. Die Zeit ist reif, die Zukunft mitzugestalten. Es wäre eine vergeudete Chance, diese Gestaltungsmöglichkeit nicht zu nutzen.
Ingenieurarbeit und Produktion sichern Wohlstand, Beschäftigung und unsere Zukunft. Dieser Standort behauptet sich durch Flexibilität, Qualität und Stabilität, Das gilt insbesondere für die Highlight-Branchen, den Maschinen- und Anlagenbau, die Elektrotechnik und auch das Bauingenieurwesen.
In den letzten Jahren haben diese Branchen ihre Ingenieurarbeit nach den Prinzipien der schlanken Produktion gestaltet, Flexibilität erhöht, und damit große Erfolge bei Produktivität und Lieferbereitschaft erzielt. Aktuell steht die Produktion vor einem neuen Umbruch. Unter dem plakativen Namen »Industrie 40« wird der flächendeckende Einzug von Informations- und Kommunikationstechnik sowie deren Vernetzung zu einem Internet der Dinge, Dienste und Daten, das eine Echtzeitfähigkeit der Produktion ermöglicht, propagiert. Autonome Objekte, mobile Kommunikation und Echtzeitsensorik erlauben neue Paradigmen der dezentralen Steuerung und Ad-hoc-Gestaltung von Prozessen. Die Fähigkeit, schnell und flexibel auf Kundenanforderungen zu reagieren und hohe Variantenzahlen bei niedrigen Losgrößen wirtschaftlich zu produzieren, wird zunehmen und so die Wettbewerbsfähigkeit noch einmal erhöhen. Neue Formen kundenintegrierter Geschäftsprozesse werden möglich. Die vollmundig versprochene "vierte industrielle Revolution" scheint in greifbarer Nähe.
Dabei bin ich mir durch meine berufliche Tätigkeit als Ingenieur in der hoheitlichen Vermessung und zunehmend der Industrievermessung absolut sicher, dass der arbeitende Mensch weiterhin im Mittelpunkt stehen wird, auch bei einer durchgängig virtualisierten und informatisierten Ingenieurdienstleistung. Unsere qualifizierten Mitarbeiter schließen sensorische Lücken, die immer bestehen werden. Sie verfügen über langjährige Erfahrung zur Beurteilung und Lösung von Ausnahmesituationen. Und sie bringen als Arbeitskraft ihre Kreativität und Flexibilität in die Prozesse ein. Gleichzeitig bieten die neuen Technologien und Unterstützungsmöglichkeiten auch bisher nicht denkbare Entfaltungsmöglichkeiten für Mitarbeiter. Sie können ihre Fähigkeiten sinnvoll einbringen und werden in monotonen bzw. körperlich anstrengenden Tätigkeiten entlastet.
Die Ingenieurarbeit in Deutschland steht vor einem einschneidenden Umbruch. Diesen Umbruch können wir selbst mitgestalten. Dabei wollen wir die Techniken der Industrie 4.0 nutzen, um das erfolgreiche Konzept der schlanken Produktion mit ihren Ingenieurdienstleistungen weiterzuentwickeln und das Potenzial unserer Mitarbeiter effizient einzubringen.
Die Kernkompetenz der Ingenieurinnen und Ingenieure liegt in der fachlichen Erfüllung ihrer Aufgaben. Dabei sind die Anforderungen an die Ingenieurtätigkeiten wegen der Komplexität der Technik und Technologie und der Interdisziplinarität der Aufgaben stetig gestiegen. Im Rahmen einer neuen Dialogkultur bedarf es auch der Fähigkeit zur professionellen und verständlichen internen und externen Kommunikation. Aufgrund ihres Fachwissens müssen es die Ingenieure sein, die der Öffentlichkeit und den Bürgern Sachverhalte und technische Details transparent und nachvollziehbar erklären.
Simulationen und Animationen ermöglichen es in vielen Fällen, bei Projektvorhaben verschiedene Planungsalternativen plastisch und auch für Laien verständlich zu präsentieren. Dies setzt allerdings voraus, dass die Auftraggeber dafür die entsprechenden Ressourcen mit einplanen.
Unser Ziel sollte sein, alte Zöpfe und verkrustete Besitzstandansprüche im Ingenieurberuf abzuwerfen. Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit für die Ausübung von Ingenieurdienstleistungen in Europa gilt es als Chance zu nutzen, um die Zukunft unseres Ingenieurberufes aktiv mit zu gestalten.
Gehen wir es an!
Dipl.-Ing. Jörg Herrmann
Präsident der Ingenieurkammer und Sprecher des Ingenieurrates Sachsen-Anhalt