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06.07.2015

Erfolgreicher Einsatz für Freie Berufe

Bundesingenieurkammer und Länderkammern setzen sich gemeinsam mit Abgeordneten des Bundestages für den Berufsstand ein

Seit April dieses Jahres steht ein gemeinsamer Fraktionsantrag von CDU/CSU und SPD zur "Transparenzinitiative der Europäischen Kommission mitgestalten - Bewährte Standards im Handwerk und in den Freien Berufen erhalten" in der Diskussion.

Grundlage für den Antrag ist eben die auf EU-Ebene angesiedelte Transparenzinitiative, mit der bestimmte Regelungen zur Berufsausübung und des Berufszuganges in den Mitgliedsstaaten der EU evaluiert werden sollen.

Dem Vernehmen nach sollten wichtige Eckpfeiler der Freien Berufe in Deutschland, wie Honorarordnung und Fremdkapitalbeschränkung vor dem Bundestag zur Disposition stehen. Der Antrag soll nun die Bundesregierung auffordern, die bewährten Standards in Handwerk und den Freien Berufen aufrecht zu erhalten und zu stärken.

Vor diesem Hintergrund wandten sich Vorstand und Geschäftsführung der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt mit folgendem Brief, der neben Argumentationen auch die Aufforderung an die Abgeordneten des Deutschen Bundestages aus Sachsen-Anhalt enthielt, den Fraktionsantrag (Drucksache 18/5217) zu unterstützen und sich für dessen Beschluss einzusetzen.


Sehr geehrte/r Frau/Herr Abgeordnete/r ...

uns liegt der Entwurf zu einem gemeinsamen Antrag der Fraktionen der CDU/CSU und der SPD zum Thema "Transparenzinitiative der Europäischen Kommission mitgestalten - Bewährte Standards im Handwerk und in den Freien Berufen erhalten" - Stand: 22.04.2015 vor.

Die Bundesingenieurkammer und die Ingenieurkammern der Länder begrüßen ausdrücklich, dass sich die Regierungsfraktionen in ihrem gemeinsamen Antrag neben dem Handwerk hinter die Freien Berufe stellen und dies in einem 11-Punkte-Forderungskatalog an die Bundesregierung zum Ausdruck bringen. Sie bekennen sich damit ausdrücklich zu den Freien Berufen als wichtige Säule unseres selbstständigen Mittelstandes und unserer Gesellschaft. Ausdrücklich wird hervorgehoben, dass unsere Standards, auch im Hinblick auf unser hohes Qualifikationsniveau, der Verbraucherschutz und das berechtigte Vertrauen in bestimmte Qualitätsstandards aufrecht erhalten und weiterentwickelt werden müsse. In Deutschland erfolgt die Sicherung der Standards über die bewährten Regelungen des Berufszuganges und der Berufsausübung. Hingewiesen wird auf die von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie des Centre for Strategy Evalution Services, dass der Abbau der Berufsreglementierung entgegen der Eischätzung der EU-Kommission nicht zu mehr Wachstum und Beschäftigung führt, sondern Zulassungsstrukturen sogar eher eine tendenziell positive ökonomische Wirkung aufweisen.

Mit Unverständnis werden die Überlegungen der Bundesregierung bzw. des Bundeskanzleramtes zur Kenntnis genommen, in Brüssel Lockerungen im Berufsrecht der Freien Berufe nur deshalb anbieten zu wollen, weil ihr dies aus verhandlungstaktischen Gründen vorteilhaft erscheint. Nicht nachvollziehbar ist insbesondere, dass die aktuelle Deregulierungsdiskussion in Deutschland augenscheinlich nicht auf konkreten europäischen Forderungen beruht. Auch ist festzustellen, dass der Deregulierungsdruck nicht inhaltlich begründet wird, zumal auch die Fachressorts keinen bzw. keinen nennenswerten Handlungs- bzw. Deregulierungsbedarf sehen. In diesem Zusammenhang stehen insbesondere die Gebührenordnungen (Ziff. 8) zur Disposition. In Ziffer 8 heißt es ausdrücklich, dass "das bestehende System der Kosten- und Honorarordnung der Freien Berufe nicht zu gefährden" ist, "um die gemeinwohlorientierte Leistungserbringung sicherzustellen und einen Preiswettbewerb auf Kosten der Qualität zu verhindern".

Ergänzend sei hierzu ausgeführt, dass die Vereinbarkeit der HOAI mit EU-Recht, insbesondere der Dienstleistungsrichtlinie, im Zuge der letzten HOAI-Novelle 2013 durch mehrere Gutachten festgestellt und belegt worden ist. Auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages hat dies gutachterlich bestätigt. Die HOAI ist seit der 6. Novelle im Jahr 2009 eine reine "Inländer-HOAI", das heißt, sie gilt nur für Architekten und Ingenieure mit Sitz im Inland. Voraussetzung für die Anwendung der HOAI ist zudem, dass die vereinbarte Leistung vom Inland aus erbracht wird. Insofern sind durch HOAI-verursachte Binnenmarkthemmnisse nicht bekannt. Tatsächlich ist Deutschland für ausländische Dienstleistungserbringer ein attraktiver Markt, der weit offen steht. Nicht die verbindlichen Honorarordnungen, sondern vornehmlich sprach- und länderspezifische Regelungen stehen einer größeren Mobilität von Architekten und Ingenieuren entgegen. Auch das Europarecht ermöglicht den Bestand gesetzlicher Gebühren- und Honorarordnungen: Der Europäische Gerichtshof (EUGH) hat anerkannt, dass Gebührenordnungen aus Gemeinwohlgründen gerechtfertigt sind, wenn sie im Hinblick auf das verfolgte Ziel verhältnismäßig sind. Da die Honorarordnungen auf Gesetzen beruhen, stellen sie zudem keinen Verstoß gegen das Kartellrecht dar.

Gebührenordnungen dienen der Marktvielfalt und somit dem Wettbewerb, in dem sie dafür sorgen, dass kleine und mittlere freiberufliche Strukturen aufgrund eines Verdrängungswettbewerbs nicht durch große Zusammenschlüsse aus dem Markt gedrängt werden. Sie ermöglichen so auch jungen Freiberuflern die Schaffung zahlreicher Existenzen. Gerade die kleinteilige Struktur der Freiberuflerbüros und Praxen garantiert eine wohnortnahe, flächendenkende Versorgung zur Sicherheit des Gemeinwohls. Ein ungeordneter Preiswettbewerb gefährdet das flächendeckende Angebot, da er zur Bildung größerer Einheiten und damit zu einer Gefahr der Konzentration auf lukrative Bereiche führen würde. Dies hätte gravierende Folgen für den Zugang der Verbraucher zum Recht, zur Gesundheitsversorgung und zur öffentlichen Sicherheit.

In der Kritik seitens der Bundesregierung stehen auch die hierzulande geltenden Regelungen zur Kapitalbindung (Ziffer 7). Das Fremdkapitalverbot, mithin der Ausschluss einer Beteiligung von Dritten an dem Geschäftsbetrieb eines Freiberuflers unter kommerzieller Zielsetzung besteht aus guten Gründen. Das Kapitalverbot

  • gewährleistet die Unabhängigkeit der Berufsausübung, da der Freiberufler frei von wirtschaftlichen Interessen Dritter zu seinen Patienten, Mandanten und Klienten tätig wird;
  • lässt einen Interessenkonflikt zwischen den Gewinnerwartungen der Kapitalgeber und den sachlichen Interessen der Kunden gar nicht erst entstehen;
  • dient dem Verbraucherschutz, indem es verhindert, dass berufsfremde Kapitalgeber Einfluss auf die Geschäftstätigkeit, die strategische Ausrichtung und vor allem die besonderen Berufspflichten und unterliegende Leistungserfüllung eines Freiberuflers nehmen könnten;
  • beugt volkswirtschaftlich kontraproduktiven Konzentrationsprozessen auf dem jeweiligen Markt vor, in dem es ein "sich Einkaufen" aus rein betriebswirtschaftlichem Kalkül bei kleineren Akteuren verhindert. Dies erhält unmittelbar die mittelständischen Strukturen, die den Standort Deutschland stark machen.
Das System der Freien Berufe in Deutschland ist modern und flexibel und es lässt Wirtschaftswachstum zu. Das belegen die ökonomischen Fakten. Das Fremdkapitalverbot steht dem nicht entgegen. Ganz im Gegenteil: Es ermöglicht ein auf Dauer angelegtes, "gesundes" Wachstum und verhindert gleichzeitig die ungebremste Ökonomisierung eines Bereiches unserer Wirtschaft, der wie kein anderer für die Vereinbarkeit von Wachstum- und Gemeinwohlorientierung steht.

Vor diesem Hintergrund bitten wir Sie eindringlich sich dafür einzusetzen, dass die im begrüßungswerten Antrag enthaltenen Punkte im Einzelfall nicht zur Disposition gestellt werden.

Wir würden es sehr begrüßen, wenn der Antrag wie geplant in den Fraktionssitzungen im Juni 2015 inklusive der konkreten Forderungen verabschiedet wird.

Mit freundlichen Grüßen

Dipl.-Ing. Jörg Herrmann
Präsident

Dr. Rainer Berger
Geschäftsführer



Inzwischen liegen die Resonanzen auf das Schreiben der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt vor. Eine Unterstützung der Freien Berufe, speziell bei den oben angesprochenen Punkten stand dabei außer Frage. Einige Antworten finden Sie unten stehend.

Dass die Initiative erfolgreich war, wurde mittlerweile durch den am 02.07.2015 in der 115. Sitzung des Deutschen Bundestages positiv beschlossenen Antrag der Fraktionen zur "Transparenzinitiative der Europäischen Kommission mitgestalten - Bewährte Standards im Handwerk und in den Freien Berufen erhalten" bestätigt.