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10.08.2015

Und die HOAI?

EU hat Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet - HOAI wieder auf dem Prüfstand

© Bildnachweis: IK ST
Dipl.-Ing. Jörg Herrmann, Präsident der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt

Bereits seit zwei Jahren stehen die wirtschaftlichen Strukturen im Umgang mit den Freien Berufen in den Ländern der Europäischen Union vor der EU-Kommission auf dem Prüfstand. Eine dazu eingeleitete Transparenzinitiative, die die Situation in den einzelnen EU-Mitgliedsstaaten untersuchen half, gibt jetzt ihre ersten Ergebnisse preis. Betroffen sind EU-Staaten, wie Malta, Österreich, Polen, Spanien, Zypern und eben auch Deutschland, gegen die am 18. Juni 2015 ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet wurde.

Mit der Eröffnung des Verfahrens gegen Deutschland hat die EU-Kommission insbesondere die Gebührenordnungen der Freien Berufe in den Focus gerückt. Explizit benannt sind dabei die Architekten, Ingenieure und Steuerberater. Deren Gebührenordnungen enthalten Mindestsätze für Honorare, so die EU-Kommission, die mit der Europäischen Dienstleistungsrichtlinie unvereinbar seien.

Das Thema HOAI in Zusammenhang mit Argumenten, wie dem Qualitätswettbewerb bei der Erbringung von geistig-schöpferischen Dienstleistungen, dem Verbraucherschutz in sicherheitsrelevanten Bereichen, der Planungssicherheit für die öffentliche Hand sowie der auskömmlichen Honorierung und der unabhängigen Beratung durch Dienstleister ist der EU-Kommission nicht neu. Im Jahr 2013 wurde die "EU-Tauglichkeit" der HOAI mit diesen Argumenten bei ihrer Novellierung bereits bestätigt.

Mit dem neuerlichen Vorstoß der Kommission, die HOAI infrage zu stellen, ignoriert sie umfangreiche Studien und Expertisen, die belegen konnten, dass die HOAI mit EU-Recht - eben auch mit der Dienstleistungsrichtlinie - vereinbar ist. Was steckt also dahinter? Hier können momentan nur Vermutungen angestellt werden. Fakt ist, dass sich die kleinteiligen Strukturen und die Selbstverwaltung der Freien Berufe in der Vergangenheit bewährt und maßgeblich zu der wirtschaftlichen Situation, wie wir sie heute in Deutschland vorfinden, beigetragen haben. Mit Wegfall, beispielsweise einer HOAI und damit verbundenem Honorardumping und Qualitätsverlust in gesellschaftlich relevanten und nicht unmaßgeblich am Bruttoinlandsprodukt beteiligten Wirtschaftsbereichen, ist diese Entwicklung künftig infrage zu stellen. Ironie des Schicksals - andere EU-Staaten sind mittlerweile auf die HOAI aufmerksam geworden und haben deren Vorzüge erkannt!

Mit der Eröffnung des Vertragsverletzungsverfahrens ist eine weitere Untersuchungsphase der Sachverhalte zur EU-Verträglichkeit von Gebührenordnungen, wie einer HOAI, angeschoben worden. Die Bundesregierung wird nun erneut eine Stellungnahme erarbeiten müssen, um den dauerhaften Erhalt der HOAI zu gewährleisten. Dies wird nur durch einen engen Schulterschluss mit den berufsständischen Vertretungen gelingen. Bundesarchitektenkammer, Bundesingenieurkammer und AHO haben bereits reagiert und sich mit den entsprechenden Stellen der Bundesregierung in Verbindung gesetzt.

Eine Anhörung der Verbände sowie der Ländervertreter dazu ist am 19. August 2015 im Bundesministerium für Wirtschaft vorgesehen. Um den Minister für Wirtschaft und Wissenschaft des Landes Sachsen-Anhalt, Herrn Hartmut Möllring, Unterstützung zu signalisieren, haben sich die Präsidenten der Ingenieurkammer und der Architektenkammer des Landes gemeinsam mit einem Brief (siehe unten) an ihn gewandt.