Lade Daten...
01.12.2015

AHO-Herbsttagung am 26.11.2015

Breite Unterstützung für die HOAI

© Bildnachweis: AHO
Sabine Poschmann, MdB

Das am 18. Juni 2015 eingeleitete Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission in Sachen Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) stand im Fokus der diesjährigen AHO-Herbsttagung, die am 26.11.2015 vor ca. 160 Gästen im Ludwig Erhard Haus in Berlin stattfand. Die hochkarätigen Referenten aus Europa- und Bundespolitik, dem für die HOAI federführenden Bundesministerium für Wirtschaft und Energie sowie der Rechtswissenschaft bekundeten ihre nachdrückliche Unterstützung für die HOAI und das deutsche Honorarsystem.

Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber wies darauf hin, dass verbindliche Mindest- und Höchstpreise zur Sicherung der Planungsqualität sehr wohl nötig sind. Es geht hier um ein hohes Maß an Qualitäts-und Verbraucherschutz sowie Kostentransparenz. Er warnte davor, in bewährte Regelungssysteme einzugreifen und wies insbesondere auf die mittelständisch und dezentral geprägte Bürostruktur der Architektur- und Ingenieurbüros in der Bundesrepublik hin. Die Vielfalt der gewachsenen Strukturen in den einzelnen Mitgliedsstaaten darf durch die EU-Kommission nicht übergangen werden, mahnte Ferber.

Die Mittelstandsbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion Sabine Poschmann, MdB bezweifelte, dass die Mindestsätze der HOAI ein Hindernis für die Niederlassung ausländischer Architekten und Ingenieure in Deutschland darstellen. Die Gründe für europaweit grundsätzlich geringere Niederlassungszahlen liegen vielmehr in Sprachbarrieren, den unterschiedlichen Rechts- und Haftungssystemen in den Mitgliedsstaaten und den unzureichenden Erfahrungen auf dem jeweiligen lokalen Markt. Sie betonte ebenfalls die Notwendigkeit des Erhalts der HOAI im Sinne des Verbraucherschutzes und der Qualitätssicherung und warnte vor einer Abwärtsspirale bei Standards und Preisen in Deutschland. Dass die HOAI europarechtskonform ist, wurde durch ein aktuelles Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages bestätigt, das Frau Poschmann in Auftrag gegeben hatte. Im Hinblick auf die aktuelle Binnenmarktstrategie der EU-Kommission kündigte die Abgeordnete an, dass sich der Deutsche Bundestag frühzeitig mit den vorliegenden Überlegungen im Interesse des Mittelstandes und der Freien Berufe befassen wird.

Die zuständige Ministerialbeamtin im BMWi Dr. Kirstin Pukall skizzierte den aktuellen Stand des Vertragsverletzungsverfahrens und wies darauf hin, dass die Bundesregierung dem Aufforderungsschreiben der EU-Kommission vom 18. Juni 2015 in einer ausführlichen Begründung entgegengetreten ist. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass trotz der umfassenden Rechtfertigung der Mindest- und Höchstsätze der HOAI durch die Bundesregierung eine Fortführung des Verfahrens durch die EU-Kommission erfolgt. Im Falle der Übermittlung einer begründeten Stellungnahme durch die EU-Kommission hat die Bundesregierung nochmals die Gelegenheit, innerhalb von zwei Monaten ihre Position darzulegen. Erst danach steht eine Entscheidung der EU-Kommission über die Einleitung einer möglichen Klage beim Europäischen Gerichtshof an.

Sollte der Gerichtsweg beschritten werden, erläuterten die hochkarätigen Rechtsexperten, dass unter rechtlichen Gesichtspunkten gute Argumente zur Verteidigung der Mindest- und Höchstsätze der HOAI im Rahmen der juristischen Rechtfertigungsebene vorliegen. Prof. Dr. Gerd Motzke, ehemals Vorsitzender Richter am OLG in München, betonte, dass die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes vom 5.12.2006 (C 94/04-Cipolla) einen erweiterten Spielraum für die Einbeziehung von Rechtfertigungsgründen gibt. Neben den Rechtfertigungsgründen wie z.B. Qualitätssicherung, Verbraucherschutz und Baukultur führte er insbesondere die Wahrung der Rechtspflege als weiteren Aspekt in die Diskussion ein. Durch ihre Raster/Maßstabsbildung beuge die HOAI in Folge ihres Regelungscharakters Streit vor bzw. habe streitauflösende Wirkung. Aber auch die Wahrung der gesellschaftlichen Ordnung durch Aufrechterhaltung der mittelständisch geprägten Bürostruktur der Architektur- und Ingenieurbüros in Deutschland kann als struktureller Aspekt in die Verhältnismäßig- keitsprüfung einbezogen werden.

Der Europarechtsexperte Dr. Thomas Wessely, Partner der renommierten Kanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer, Brüssel machte deutlich, dass bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit vor dem Hintergrund des Subsidiaritätsprinzips und der Gemeinschaftstreue zwischen dem Ausmaß der eventuellen Verbesserung für die Niederlassungsfreiheit, die durch die Abschaffung der Mindest- und Höchstsätze der HOAI vermeintlich erreicht würde und dem Ausmaß, in dem in die gegebene nationale Marktstruktur eingegriffen würde, abzuwägen ist. Es ist unverhältnismäßig, eine tiefgreifende strukturelle Umgestaltung des deutschen Architekten- und Ingenieurmarktes zu verlangen, um eine eher theoretische Verbesserung für die Niederlassungsfreiheit zu erreichen, so das Fazit des Rechtsexperten.

Die traditionelle Präsentation der gemeinsam von AHO, VBI, BDB und BIngK initiierten Umfrage "Wirtschaftliche Lage der Ingenieure und Architekten" ergibt für das Jahr 2014 ein überwiegend positives Bild. So ist beispielsweise die Umsatzrendite im Vergleich zum Vorjahr von 11, 4 % auf 13,2 % gestiegen. Es handelt sich aber auch um notwendige Nachholeffekte aus den schwachen Jahren 2009 - 2011, erläuterte der AHO-Vorstandsvorsitzende Dr. Erich Rippert und hob hervor, dass zu der erfreulichen Entwicklung auch die Anpassung der Honorarsätze der HOAI im Jahr 2013 beigetragen hat.

In seinem Schlusswort appellierte Dr. Rippert, alle Kräfte zu bündeln, um gemeinsam mit einem stringenten Konzept die EU-Kommission von den berechtigten Grundsätzen der Freiberuflichkeit in Deutschland zu überzeugen. Denn letztlich zielt der Angriff auf die HOAI auf die Fundamente aller freien Berufe.


Pressemitteilung AHO
Ronny Herholz, Geschäftsführer des AHO Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e.V.