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28.01.2016

Ingenieurgesetz Sachsen-Anhalt setzt Europäische Berufsanerkennungsrichtlinie um

Magdeburg, den 28. Januar 2016 - Mit in Kraft treten des novellierten Ingenieurgesetzes (IngG LSA) werden die Weichen für die Zukunft des Ingenieurberufs in Sachsen-Anhalt gestellt. Die Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt begrüßt das neue Gesetz. Es schafft mehr Sicherheit und Schutz für Ingenieure und Verbraucher.

© Bildnachweis: IK ST
Präsident der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt, Dipl.-Ing. Jörg Herrmann

Warum das Ingenieurgesetz Sachsen-Anhalt novelliert wurde

"Die Novellierung des Ingenieurgesetzes Sachsen-Anhalt schafft für die Öffentlichkeit, für Verbraucher und Auftraggeber mehr Klarheit über die Qualifikation von Ingenieuren und ihre zugeordneten Aufgaben und Dienstleistungen. Damit verbessert es den Schutz aller Verbraucher und dient vor allem auch der nachhaltigen Qualitätserhaltung für die Sicherheit, den Umwelt- und Gesundheitsschutz bei der Planung und Errichtung von Bauwerken und anderen technischen und natürlichen Systemen", sagte Dipl.-Ing. Jörg Herrmann, Präsident der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt. "Darüber hinaus gewährleistet die Novellierung auch die kontinuierliche Weiterentwicklung des Berufstandes der freiberuflich tätigen Ingenieure sowie ihrer Mitarbeiter in Ingenieurunternehmen und stärkt die Qualitätssicherung durch die Selbstverwaltung der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt. Die Novellierung schafft hervorragende Rahmenbedingungen für die Berufsausübung, für die Ausbildung des Ingenieurnachwuchses sowie für die Fort- und Weiterbildung im Ingenieurberuf durch lebenslanges Lernen. Mit der Umsetzung der Europäischen Berufsanerkennungsrichtlinie haben wir in Sachsen-Anhalt ein zukunftsorientiertes Gesetz mit internationaler Bedeutung."

Das Ingenieurgesetz Sachsen-Anhalt vom 22. Januar 2009 (GVBl. LSA S. 6), zuletzt geändert durch Artikel 110 des Gesetzes vom 24. Juni 2014 (GVBl. LSA S. 350, 359), wurde am 28 Januar 2016 novelliert. Es handelt sich um ein Artikelgesetz, das mit Veröffentlichung im Gesetz- und Verordnungsblatt Sachsen-Anhalt in Kraft tritt. Die Umsetzung erfolgte im gesamten Berufsrecht des Landes nach einem bundeseinheitlichen Mustergesetzentwurf. Die Anerkennung und Mobilität der Fachkräfte im europäischen Binnenmarkt sollen gefördert und gesichert werden. Es soll und kann jedoch auch den Menschen helfen, die in der gegenwärtigen Flüchtlingssituation im Ausland erworbene Qualifikation nachweisen und in den deutschen Arbeitsmarkt einbringen wollen. Entsprechende Anerkennungsanträge können unabhängig von der Staatsbürgerschaft, dem Aufenthaltsstatus in Deutschland und dem Herkunftsstaat der Qualifikation bzw. Berufserfahrung bearbeitet werden. Insbesondere durch die neu vorgesehenen Instrumente der Verfahrensführung, die Umsetzung durch den "Einheitlichen Ansprechpartner" und die Nutzung elektronischer Kommunikationsmöglichkeiten, das sogenannte E-Gouvernement, werden Verwaltungsaufwand gespart und die Verfahren beschleunigt.


Die wichtigsten Fakten des neuen Gesetzes

Wer künftig die Berufsbezeichnung Ingenieur führen will, muss bestimmte Bedingungen mit dem Studienabschluss erfüllen: Neben einer Regelstudienzeit in einer technisch-naturwissenschaftlichen Fachrichtung von mindestens sechs theoretischen Studiensemestern oder entsprechenden drei Jahren an einer öffentlichen oder staatlich anerkannten Hochschule ist festgelegt, dass die Studien- und Ausbildungsgänge mindestens zur Hälfte ingenieurspezifische Fächer (MINT) umfassen. Gemeinsame Ausbildungsgrundsätze, die von allen Ingenieurkammern Deutschlands anerkannt werden, wurden im Gesetz geregelt.

Wesentliche Änderungen sind außerdem die Einführung eines Europäischen Berufsausweises, die Erlaubnis der teilweisen Ausübung des reglementierten Berufes Ingenieur (Partieller Berufszugang) und die Verpflichtung zur elektronischen Bereitstellung aktuell zu haltender Informationen bei einer Aufnahme von Ingenieurtätigkeiten im Ausland.

Eine Zentralisierung der Verwaltungskompetenz wird damit umfangreicher möglich. Zu diesem Zweck kann die Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt Vereinbarungen zur Durchführung von Ausgleichsmaßnahmen mit Ingenieurkammern anderer Länder treffen.

Um die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Bereich zu verbessern, wird der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt ermöglicht, besondere ergänzende Berufsbezeichnungen zuzuerkennen. Dies erfolgt in Anlehnung an übliche Qualitätsstandards in anderen Staaten. Das Gesetz enthält deshalb weiterhin Vorgaben zur Listenführung aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung mit besonderen Qualifikationen, u.a. für die bundesweit empfohlene und in Hessen bereits gesetzlich definierte Regelung der Berufsbezeichnung "Fachingenieur". Diese Berufsbezeichnung ist gegenwärtig in der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt auf die Berufsbereiche Energie, Wasserwirtschaft, Umwelttechnik sowie Sicherheits- und Gesundheitsschutz zugeschnitten.

Neu ist außerdem, dass eine Regelung für Partnerschaftsgesellschaften mit beschränkter Berufshaftung (mbB) für freiberufliche Ingenieure nun fest im Gesetz verankert ist.

"Mit der fraktionsübergreifenden Zustimmung zu diesem Gesetz sind Qualitätsstandards festgelegt worden, die nachhaltig auf den Berufsstand der Ingenieure und zugleich auf die Wirtschaftsentwicklung wirken werden. Ein langwieriges Verfahren wurde zu einem guten Ergebnis gebracht, das für Ingenieure in Sachsen-Anhalt zukunftsweisende Rahmenbedingungen schafft", unterstreicht Kammerpräsident Herrmann.


Ingenieurgesetz Sachsen-Anhalt gilt für die Anerkennung internationaler Berufsqualifikation und die Ausübung des Ingenieurberufes im Land

Dazu gab es seit mehreren Jahren konstruktive Diskussionen des zuständigen und für den Gesetzentwurf federführenden Ministeriums für Wissenschaft und Wirtschaft des Landes, der Ingenieurkammer sowie allen betroffenen Verbänden, Vereinigungen, Vereinen, Institutionen und Hochschulen. Alle Argumente wurden sorgfältig erörtert. Dennoch gibt es weiterhin Vorbehalte und Missverständnisse, die ganz unterschiedliche Ursachen haben.

Die Umsetzung der Berufsanerkennungsrichtlinie in nationales Recht kann nur funktionieren und auch künftig dem hohen Qualitätsanspruch gerecht werden, wenn in Bezug auf die Qualifikation von Ingenieuren einheitliche Parameter in allen Bundesländern vorliegen. Diese Anpassung ist in Sachsen-Anhalt erfolgt und beruht u.a. auf den gemeinsamen Eckpunkten der Ingenieurkammern der Länder. Das Positionspapier der Bundesingenieurkammer "Berufsbild des Ingenieurs - Gemeinsame Eckpunkte der Ingenieurkammern der Länder" trägt u.E. zum besseren Verständnis der Kammerstandpunkte bei, weil es Antworten auf viele Fragen gibt:

- Die Ingenieure und die Verantwortung der Ingenieurkammern
- Die Ingenieure - Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt

  • Definition der Berufsbezeichnung
  • Mitgliedschaft in den Ingenieurkammern
  • Berufsausübungsrecht der Ingenieure in schutzbedürftigen und sicherheitsrelevanten Bereichen
  • Ingenieurkammern als zuständige Stelle

Die unmittelbar die Ingenieurkammern betreffenden zwei Eckpunkte werden deshalb hier noch einmal genannt:

1. Die Ingenieure und die Verantwortung der Ingenieurkammern

Ingenieure gestalten aktiv Lebensräume. Sie entwickeln und planen die Zukunft des Menschen und leisten einen entscheidenden Beitrag zur Entwicklung der Gesellschaft. Der Berufsstand schützt unsere natürlichen Lebensgrundlagen.
Der Verbraucher muss auf die hohe Qualifikation der Ingenieure vertrauen können - ohne dass er diese selbst beurteilen muss. Dieses Vertrauen setzt verbindliche Vorgaben für Qualität und Qualifikation in Bezug auf Berufsausbildung und Berufsausübung voraus, die nicht zur Disposition stehen dürfen. Seit Anfang der 70er Jahre ist die Berufsbezeichnung "Ingenieur" gesetzlich geschützt und in den jeweiligen Länderingenieurgesetzen an konkrete Voraussetzungen geknüpft. Diese Regelung war mit der Bindung an den akademischen Grad "Diplom-Ingenieur" hinreichend bestimmt. Im Zusammenhang mit dem Bologna-Prozess hat der Gesetzgeber neue akademische Grade eingeführt - ohne jedoch neue inhaltliche Anforderungen an die Berufsbezeichnung Ingenieur zu stellen. Dies ist ein schwerwiegender Mangel, der dringend korrigiert werden muss.
Inhalte der Ingenieurausbildung: Die Ingenieurkammern der Länder haben sich darauf verständigt, dass im Ingenieurbereich die MINT-Fächer das überwiegende Gepräge des grundständigen Studiums mit mindestens sechs Theoriesemestern ausmachen müssen. Zudem sollte in den Ingenieurgesetzen für die Eintragung von Ingenieuren ein überwiegender Anteil in technisch-ingenieurwissenschaftlichen Fächern erforderlich sein. Angemessene gesetzliche Eintragungsstandards für Ingenieurkammern sichern die gleichbleibende hohe Qualität freiberuflicher Leistungserbringung. Die Kammermitgliedschaft gewährleistet, dass die Berufsträger ihren Pflichten, u. a. zur Berufshaftpflichtversicherung sowie Fort- und Weiterbildung, überprüfbar nachkommen. In schutzbedürftigen und sicherheitsrelevanten Bereichen ist darüber hinaus ein Berufsausübungsrecht für Ingenieure erforderlich.
Der elektronische Europäische Berufsausweis, eine strukturierte Datenbank mit relevanten Dokumenten der Aus- und Fort- und Weiterbildung sowie zur Berufspraxis, ist nach Ansicht der Ingenieurkammern der Länder eine Möglichkeit, die Freizügigkeit von Ingenieuren zu fördern und gleichzeitig eine effiziente und transparente Anerkennung der Berufsqualifikationen zu gewährleisten. Diese Datenbanken der Länder-Ingenieurkammern sind an das Binnenmarkt-Informationssystem (Internal Market Information System, IMI) angeschlossen. In Sachsen-Anhalt besteht diese Vernetzung bereits seit mehreren Jahren. IMI ist ein IT-gestütztes Netzwerk zum Informationsaustausch zwischen öffentlichen Stellen im Europäischen Wirtschaftsraum. Es ist von der Europäischen Kommission zusammen mit den Mitgliedstaaten der Europäischen Union entwickelt worden, um die Verwaltungszusammenarbeit über Grenzen hinweg zu vereinfachen und zu beschleunigen. Das IMI ermöglicht es öffentlichen Verwaltungen auf lokaler, regionaler und nationaler Ebene, ihre Ansprechpartner in anderen Ländern ausfindig zu machen und mit ihnen Informationen in ihrer eigenen Sprache auszutauschen. Dies wird mit Hilfe vorübersetzter Standardfragen und -antworten sowie durch maschinelle Übersetzung erreicht.

2. Mitgliedschaften in Ingenieurkammern

Ingenieurkammern sind eine nachgeordnete Behörde, deren Aufgaben die Ingenieurgesetze der Länder gesetzlich regeln. Verbände, Vereinigungen und Vereine hingegen vertreten die ("persönlichen") Mitgliederinteressen. Deren Status ist im BGB und nicht im Ingenieurgesetz geregelt. Insofern sind Doppel- und Mehrfach-Mitgliedschaften kein Widerspruch für Ingenieure.
Die Bündelung der Kompetenzen der Berufsträger in einer berufsständischen Selbstverwaltung ist die entscheidende Voraussetzung für die effektive Aufgabenbewältigung in den Bereichen, die für den Staat besondere Bedeutung haben. Die Berufskammern überwachen den Schutz der Berufsbezeichnung und die damit verbundene Berufsausübung eigenverantwortlich innerhalb der Gesetze. Die angemessenen gesetzlichen Eintragungsstandards für die Eintragung als Ingenieur sichern die gleichbleibende hohe Qualität freiberuflicher Leistungserbringung. Ingenieure, deren Tätigkeit eine besondere gesellschaftliche Relevanz in Bezug auf das Gefahrenpotenzial oder auf die öffentliche Bedeutung haben, sind in ihrer Gesamtheit in die berufsständische Selbstverwaltung zu integrieren. Durch die Mitgliedschaft wird ermöglicht, dass die Berufsträger ihren Pflichten u.a. zur Berufshaftpflichtversicherung und Fort- und Weiterbildung überprüfbar nachkommen. Eine weitere Konsequenz der beruflichen Selbstverwaltung ist, das fachliche Wissen in den entscheidenden Bereichen zu bündeln, um es für die weitere Entwicklung der Gesellschaft im Sinne des Allgemeinwohls zu nutzen.


Dr. Rainer Berger
Geschäftsführer