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28.11.2016

HOAI vor dem Europäischen Gerichtshof ?!

Die nächste Stufe im Vertragsverletzungsverfahren der EU zur HOAI, der Klagebeschluss vor dem EuGH, war Thema der AHO-Herbsttagung 2016.

© Bildnachweis: IK ST
v.l.n.r.: Prof. Dr. Udo F. MeiÁner, Präsident der IK Hessen; RA Ronny Herholz, Geschäftsführer des AHO; Dipl.-Ing. Jörg Herrmann, Präsident der IK Sachsen-Anhalt

Das Motto der diesjährigen AHO-Herbsttagung am 24.11.2016 hatte das Ereignis schon vorweggenommen "HOAI-Vertragsverletzungsverfahren - Finale vor dem EuGH?". Am 17. November hat die Europäische Kommission beschlossen, im Vertragsverletzungsverfahren zur HOAI den nächsten Schritt zu gehen und Klage vor dem EuGH einzureichen.

Aufgrund der Brisanz des Themas für den gesamten Berufsstand - auch in Sachsen-Anhalt, hatte sich der Präsident der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt, Dipl.-Ing. Jörg Herrmann, in die Diskussionen der Vertreter des Berufsstandes um das Vertragsverletzungsverfahren und die Zukunft der HOAI eingebracht (Foto).

In seiner Einführung wies der AHO-Vorstandsvorsitzende Dr.-Ing. Erich Rippert vor ca. 150 Teilnehmern nachdrücklich darauf hin, dass die HOAI seit 2009 nur für "Inländer" gilt, also Büros mit Sitz in der Bundesrepublik, die ihre Leistungen in Deutschland erbringen. Ausländische Büros sind also grundsätzlich nicht daran gehindert, ihre Leistungen ggf. zu niedrigeren Preisen anzubieten. Die HOAI stellt auch kein Niederlassungshindernis für ausländische Büros dar, wie das von Seiten der EU-Kommission behauptet wird. Die Größenordnung grenzüberschreitender Niederlassungen von Architektur- und Ingenieurbüros in den europäischen Staaten ist durchweg gering und auch nicht plötzlich gestiegen, als z.B. in Österreich verbindliche Honorarregelungen abgeschafft wurden.

Die Gründe für europaweit grundsätzlich geringere Niederlassungszahlen liegen vielmehr in Sprachbarrieren, unterschiedlichen Rechts- und Haftungssystemen in den Mitgliedsstaaten und den fehlenden Erfahrungen auf dem jeweiligen lokalen Markt. Es ist offensichtlich, dass die EU-Kommission das alleinige Ziel verfolgt, den europäischen Binnenmarkt durch einen schrankenlosen Preiswettbewerb herzustellen. Dagegen werden sich Architekten und Ingenieure mit aller Kraft wenden.

Der Unterabteilungsleiter für Bauwesen und Bauwirtschaft im BMUB, Lothar Fehn Krestas, betonte in seinem Grußwort, dass die Bundesregierung an ihrer Auffassung festhalte, dass die HOAI weder diskriminierend, noch unverhältnismäßig, aber aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses erforderlich sei. Das Bundesbauministerium werde sich wie bisher bei diesem letzten entscheidenden Schritt des Vertragsverletzungsverfahrens für den Erhalt der HOAI einsetzen und mit der bewährten Unterstützung durch Kammern und Verbände alles daran setzen, ein Finale der HOAI abzuwenden.

Unterstützung gab es auch aus dem Deutschen Bundestag. Die Abgeordnete Barbara Lanzinger (CDU/CSU-Bundestagsfraktion) betonte, dass der europäische Binnenmarkt eine große Errungenschaft ist und entscheidend zur Wettbewerbsfähigkeit und zum Wohlstand in Europa beiträgt. Deregulierung durch die Europäische Union muss aber mit Augenmaß und nicht allein aus ökonomischen Gesichtspunkten erfolgen. Bewährte Qualitätsstandards und gewachsene Strukturen gilt es zu erhalten. Dazu gehören die in Deutschland bewährte Berufszugangs- und Ausübungsregeln sowie die Honorarordnung für die freien Berufe. Sie sind ein Garant für Qualität und Exzellenz die maßgeblich zum Erfolg der deutschen Wirtschaft auch im internationalen Vergleich beitragen und für die wir geschätzt werden, hob Lanzinger hervor.

Die zuständige Ministerialbeamtin im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Dr. Nina Wunderlich, skizzierte den weiteren Gang des Vertragsverletzungsverfahrens und wies darauf hin, dass mit dem Klagebeschluss der EU-Kommission noch nicht die Einreichung der Klage vor dem Europäischen Gerichtshof verbunden sei. Dieser erfolge erfahrungsgemäß Wochen oder Monate später, so dass realistisch Anfang 2017 mit der Klageeinreichung gerechnet werden kann. Im Anschluss hat die Bundesregierung zwei Monate Zeit zur Klageerwiderung. Das Klageverfahren dauert je nach Komplexität im Durchschnitt 18 Monate, so dass spätestens im Jahr 2018 mit einer Entscheidung des EuGH gerechnet werden kann.

Der Europarechtsexperte Dr. Matthias Kottmann, Redeker Sellner Dahs, Berlin erläuterte, dass die Mindest- und Höchstsätze der HOAI mit Artikel 15 der Dientsleistungsrichtlinie und mit Artikel 49 des EU-Vertrages vereinbar sind. Dem Vertragsverletzungsverfahren der Europäischen Kommission dürfte daher kein Erfolg beschieden sein. Die Vereinbarkeit der HOAI mit EU-Recht wurde durch mehrere Rechtsgutachten, darunter auch Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages, wiederholt bestätigt.

Trotz der negativen Nachrichten aus Brüssel ergab die Präsentation der gemeinsam von AHO, VBI, BDB und BIngK durchgeführten Jahresumfrage "Wirtschaftliche Lage der Ingenieure und Architekten" für das Jahr 2015 ein überwiegend positives Bild. So ist beispielsweise die Umsatzrendite im Vergleich zum Vorjahr von 13.2 % auf 15,6 % im Durchschnitt gestiegen. Dabei handelt es sich aber zum Teil auch um notwendige Nachholeffekte aus den eher schwachen Jahren 2009 - 2011, resümiert der AHO-Vorstandsvorsitzende und betonte, dass zu der erfreulichen Entwicklung auch die Anpassung der Honorarsätze der HOAI im Jahr 2013 beigetragen hat. Ungebrochen ist die Nachfrage nach festangestellten Ingenieuren und Architekten. So meldeten 53,2 % der befragten Büros für das Jahr 2017 einen größeren Personalbedarf an. Dies ist eine Steigerung von 10 % gegenüber dem Vorjahr.


Quelle: AHO