EU-Richtlinie verhilft BIM auch in Deutschland zum Durchbruch
"Digital Planen, Bauen und Betreiben" ist das Leitthema der internationalen Baumesse BAU 2017 in München. Bereits am 15.1.2014 empfahl das Europäische Parlament, das Vergaberecht der Europäischen Union zu modernisieren, indem der Einsatz von computergestützten Methoden wie Building Information Modeling (BIM) zur Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen und Ausschreibungen empfohlen wird.
BIM (Building Information Modeling) beschreibt die Wertschöpfungskette Bau als Prozess für Entwurf, Planung, Errichtung und Betrieb von Bau- und Infrastrukturmaßnahmen. Es steht für eine andere Art der Kommunikation, bei der alle Vorgänge im Lebenszyklus eines Bauprojekts miteinander in Verbindung stehen. Den Kern bildet ein digitales 3D-Modell, auf das alle Projektbeteiligten Zugriff haben und damit jederzeit einen aktuellen Wissenstand sowie einen Gesamtüberblick über das Projekt haben. Anders als in einer herkömmlichen 2D-Planung, in der sämtliche Planungsschritte völlig getrennt voneinander erfolgen, werden diese durch die BIM-Methode verzahnt. Es entstehen konsistentere, durchgängigere Informationen - egal wann und wie oft der Entwurf im Planungsprozess geändert wird. Im Ergebnis werden Bauvorhaben mit dieser Methode schneller, wirtschaftlicher und nachhaltiger umgesetzt und fertig gestellt.
Die Verabschiedung der Richtlinie für das EU-Vergaberecht bedeutet, dass alle 28 Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die Nutzung von BIM bei der Realisierung von öffentlich finanzierten Bau- und Infrastrukturprojekten fördern sollen und diese genauer spezifizieren sowie verpflichtend anordnen können. "Hierfür werde ich mich gemeinsam mit dem Vorstand bei der Landesregierung und den Landesbetrieben noch stärker einsetzen", sagte Ingenieurkammer-Präsident Jörg Herrmann auf der Vertreterversammlung im November 2016. Er legte dar, dass Großbritannien, die Niederlande, Dänemark, Finnland und Norwegen die Nutzung von BIM bei öffentlich finanzierten Bauvorhaben bereits vorschreiben. Auch in Deutschland hat sich viel getan: Die Promotoren buildingSMART sowie planen+bauen4.0 wurden gegründet. Die Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt stellt sich an die Spitze des BIM-Clusters Sachsen-Anhalt.
Die öffentliche Auftragsvergabe spielt eine wichtige Rolle für die gesamtwirtschaftliche Leistung der EU. Öffentliche Stellen geben ungefähr 18 Prozent des europäischen Bruttoregionalprodukts für Materialien, Erzeugnisse und Dienstleistungen aus. Gemäß einem 2012 erschienenen Bericht der europäischen Kommission konnten öffentliche Einrichtungen, die eine digitale BIM-Lösung implementiert haben, zwischen 5 und 20 Prozent einsparen.
In Großbritannien ist der Einsatz von BIM bei der Vergabe von öffentlichen Großbauprojekten bereits Pflicht. Die britische Regierung schätzt, dass dadurch seit 2012 bei solchen Projekten 1,7 Milliarden Pfund (in etwa 2 Milliarden Euro) eingespart wurden. Außerdem wurden 66 Prozent der Aufträge der britischen Hauptbehörde für Bauvergabe fristgerecht und innerhalb des Budgetrahmens fertig gestellt. Im Vergleich zu 2010 war das eine nicht unwesentliche Steigerung um 33 Prozent (Quelle: Construction News). Bereits bestehende Gebäude verursachen schätzungsweise 40 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen sowie des gesamten Energieverbrauchs. BIM spielt auch bei Sanierungsprojekten zur Verbesserung der Energieeffizienz eine wichtige Rolle, weshalb dieser Aspekt ebenfalls in den Geltungsbereich des EU-Vergaberechts fällt.
Dr. Rainer Berger
Geschäftsführer Entwicklung und Netzwerke