Das Preisrecht der HOAI ist EU-rechtskonform!
1. Ein Rechtsstreit ist nicht deshalb auszusetzen, weil die Europäische Kommission gegen die BRD ein Vertragsverletzungsverfahren betreffend der Vereinbarkeit des Preisrechts der HOAI mit der Dienstleistungsrichtlinie eingeleitet hat.
2. Die BRD selbst geht richtigerweise davon aus, dass das Preisrecht der HOAI EU-rechtskonform ist.
3. Ein klagestattgebendes Urteil des EuGH hätte einen rein feststellenden Charakter und keinen rückwirkenden Einfluss auf zivilrechtliche Streitigkeiten.
OLG Naumburg, Urteil vom 13.04.2017 - 1 U 48/11
AEUV Art. 260 Abs. 1
Problem / Sachverhalt
Die Bundesrepublik Deutschland (BRD), vertreten durch ein Wasser- und Schifffahrtsamt, schließt einen Vertrag zur Planung der Grundinstandsetzung einer Wehrgruppe. Es kommt zum Streit über das vereinbarte Honorar. Der Planer fordert die Mindestsätze nach HOAI. Die BRD beantragt die Aussetzung des Rechtsstreits, bis der Europäische Gerichtshof im Vertragsverletzungsverfahren (VVV) gegen die BRD betreffend die Vereinbarkeit des Preisrechts der HOAI mit der Dienstleistungsrichtlinie 2006/123/EG entschieden habe.
Entscheidung
Das OLG lehnt den Antrag ab. Es weist darauf hin, dass ein Rechtsstreit nicht deshalb auszusetzen sei, weil die Europäische Kommission mit Aufforderungsschreiben vom 19.06.2015 gegen die Bundesrepublik ein VVV eingeleitet habe. Das Verfahren sei mittlerweile auf einem Stand, dass die BRD selbst durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie im September 2015 eine Stellungnahme abgegeben habe, mit welcher sie die HOAI verteidige und die Meinung vertrete, die Mindestsätze seien ein geeignetes Mittel, um die Qualität von Planungsleistungen zu sichern; zwischen den Mindestsätzen und der verbraucherfreundlichen hohen Qualität der in Deutschland erbrachten Architekten- und Ingenieurleistungen bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang, weshalb die Rechtfertigungsanforderungen der Dienstleistungsrichtlinie erfüllt seien. Das habe die Kommission nicht überzeugt, so dass mittlerweile eine Klageerhebung zum EuGH von der Kommission beschlossen worden sei. Dessen ungeachtet sei dem Antrag aus dreierlei Gründen nicht stattzugeben. Zum einen gehe die BRD entsprechend der eigenen Stellungnahme gegenüber der Kommission "richtigerweise" davon aus, dass das Preisrecht der HOAI EU-rechtskonform sei. So seien die Ausführungen der BRD im vorliegenden Rechtsstreit im offensichtlichen ergebnisorientierten Widerspruch zu den eigenen Ausführungen gegenüber der Kommission. Zum anderen hätte ein unterstelltes klagestattgebendes Urteil des EuGH einen rein feststellenden Charakter und überließe es dem verurteilten Mitgliedsstaat diejenigen Maßnahmen zu ergreifen, die geeignet seien, den gerügten Verstoß aus der Welt zu räumen (Art. 260 Abs. 1 AEUV). Zuletzt spreche die Zukunftsgerichtetheit gegen eine Aussetzung; der Mitgliedsstaat hätte für die Zukunft (weitere) Vertragsverletzungen zu unterbinden. Eine horizontale Direktwirkung von Richtlinien als unmittelbare Anwendung im Verhältnis Privater zueinander gäbe es nicht.
Praxishinweis
In aller Klarheit hat das OLG einer Flut von Aussetzungsanträgen in Honorarprozessen nach HOAI vorgebeugt, in dem es auf die Zukunftsgerichtetheit eines eventuell klagestattgebenden Urteils hinweist. Die Entscheidung, ob die HOAI EU-rechtskonform ist, bleibt aber dem EuGH vorbehalten.
Dipl.-Ing. Peter Kalte, ö.b.u.v. Honorarsachverständiger, Reinheim, und RA und FA für Bau- und Architektenrecht Philipp Scharfenberg, Heidelberg
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