Kammern im Schulterschluss: Ingenieurkammer und Architektenkammer Sachsen-Anhalt agieren gemeinsam
Die Schaffung und Sicherung geeigneter Rahmenbedingungen für die Berufsausübung ihrer Mitglieder ist eine der wichtigsten Aufgaben von Kammern, die per Gesetz die Selbstverwaltung eines Berufsstandes übertragen bekommen haben. Aktuell gibt es viele Themen, die sich bei Ingenieuren und Architekten gleichermaßen auswirken: Auftragsvergabe, Vertragsgestaltung und Vergütung sowie der Wunsch der Handwerkskammern, die Landesbauordnung zu ändern.
Öffentliche Auftragsvergabe unterhalb der EU-Schwellenwerte
Für die Vergabe von Dienstleistungsaufträgen unterhalb des EU-Schwellenwertes ist das Bild in Sachsen-Anhalt derzeit diffus. Das geltende Landesvergabegesetz wurde zwar evaluiert, es befindet sich jedoch in der Novellierung, dort soll die Unterschwellenvergabeordnung (UVgO) aus dem Jahr 2017 einfließen. Öffentliche Auftraggeber fühlen sich bzw. sind im Prinzip gegenwärtig alleingelassen und greifen zu den abenteuerlichsten Methoden. Deshalb erarbeitete eine Arbeitsgruppe der Architektenkammer Sachsen-Anhalt unter Leitung von Rechtsanwalt Dr. Matthias Kuplich Empfehlungen für die öffentliche Auftragsver-gabe unterhalb der EU-Schwellenwerte. Das Ergebnis der Arbeit wird von der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt für die Vergabe von Ingenieurleistungen mitgetragen: Am 1. Februar 2019 wurden die „Empfehlungen für die öffentliche Auftragsvergabe von Architekten-, Ingenieur- und Stadtplanerleistungen unterhalb der EU-Schwellenwerte" veröffentlicht.
Orientierungshilfe für Stundensätze
Bereits im Jahr 2017 hatten sich die Architektenkammer und die Ingenieurkammer zu einer Orientierungshilfe zur Honorierung freiberuflicher Leistungen von Ingenieuren und Architekten verständigt und ihren Mitgliedern sowie Auftraggebern empfohlen, diese Stundensatzempfehlung anzuwenden. Die Vorstände beider Kammern haben im Januar 2019 einer Anhebung der Stundensätze zugestimmt. Die neuen Stundensätze sind in den nebenstehenden Empfehlungen abgedruckt und im Netz zu finden. Die Grundlage und die Änderungen basieren auf dem Vorbild aus Baden-Württemberg.
Klares Nein zur „Kleinen Bauvorlage"
In der gegenwärtigen politischen Diskussion ist die Änderung der Landesbauordnung zugunsten der Einführung der „Kleinen Bauvorlage" für Handwerksmeister verschiedener Gewerke und staatlich geprüfter Techniker. Im vergangenen Herbst legten die Kammern ihre gemeinsame Position gegenüber den Fraktionen des Landtags dar. Rückenstärkung erhielten sie dabei von den Architekten- und Ingenieurverbänden. Prof. Dr. Armin Willingmann, Minister für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung, hatte dem Handwerk seine Unterstützung zugesagt. Bereits im Januar tauschten sich Ingenieurkammer und Architektenkammer mit den Handwerkskammern zu dem Thema aus.
Am 14. März 2019 wird es eine Anhörung im Landtag geben, zu der Architektenkammer und Ingenieurkammer geladen sind. Mit einer abgestimmten Stellungnahme werden die Kammern das bestehende Bauordnungsrecht verteidigen. Gemeinsam und geschlossen haben die Kammerpräsidenten vor diesem Termin weitergehende Gespräche geführt, so u. a. mit Staatssekretär Thomas Wünsch, Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitalisierung. In einem offenen und konstruktiven Treffen konnte dargelegt werden,
- dass für die Beibehaltung bisheriger Regelungen vor allem Verbraucherschutzaspekte sprechen,
- dass in Sachsen-Anhalt für das Handwerk bei Nichteinführung einer „Kleinen Bauvorlage" keine Standortnachteile bestehen,
- dass Ausbildungsgänge und -inhalte erheblich voneinander abweichenund schlussendlich
- die Einführung einer „Kleinen Bauvorlage" keine moderne Entwicklung darstellt. Gefahrenabwehr und Gemeinwohl sind ein hohes Gut.
Gerade diese Komplexität der Bauaufgaben erfordert es dann auch von allen Beteiligten, Kompetenzen immerwährend zu vertiefen und sich zum Spezialisten zu qualifizieren. Kenntnisse des Baurechts und des Baunebenrechts sind unabdingbar.
So mögen die außerhalb der Bauordnung zu findenden Anforderungen, wie das Denkmalschutz-, Umwelt- und Naturschutzrecht oder die Vorgaben zur Energieeinsparung, das Planen und Bauen unübersichtlicher, ggf. auch bürokratischer gemacht haben. Das Recht der Bauvorlagen nimmt diese Entwicklung in einem ausgewogenen System auf, indem es besondere persönliche Anforderungen an die Bauvorlageberechtigten stellt.
Die Landesbauordnung Sachsen-Anhalt ist seit ihrer Einführung eine der modernsten Bauordnungen in der Bundesrepublik. Sie bildet im Wesentlichen die von der Bauministerkonferenz verabschiedete und ständig novellierte Musterbauordnung ab und leistet dabei in ihrer heutigen Form einen wichtigen Beitrag zueinem Bürokratieabbau. Nur durch eine enge Anbindung an die Musterbauordnung wird eine Vereinheitlichung der Baugenehmigungsverfahren gewährleistet und können europarechtliche Vorgaben umgesetzt werden.
Die Landesbauordnung blickt im Abbau bürokratischer Hemmnisse auf eine weitgehende Öffnung durch die Einführung von genehmigungsfreien und verfahrensfreien Bauvorhaben zurück. Damit stieg auf der anderen Seite die Eigenverantwortung der Bauherren. Diese Eigenverantwortung können diese aber nur übernehmen, wenn die Entwurfsverfasser und Bauvorlageberechtigten über eine umfassende und den komplexen Planungsaufgaben genügende Ausbildung und Berufspraxis verfügen. Die geltende Landesbauordnung berücksichtigt dieses in ausgewogener und angemessener Weise von Verantwortlichkeiten zugunsten schlanker Genehmigungsverfahren. Ein Eingriff in dieses System würde sich damit gerade gegen die vorangegangenen positiven Entwicklungen des Bürokratieabbaus stellen.
Davon müssen nun die Abgeordneten des Landtages überzeugt werden, denn sie werden darüber entscheiden, ob das Ministerium für Landesentwicklung und Verkehr beauftragt wird, einen Entwurf zur Änderung der Landesbauordnung vorzulegen. Dieser würde im parlamentarischen Verfahren dann erneut zur Diskussion stehen.
www.ak-lsa.de/fileadmin/pic/Mitgliederservice/Auftragsverg/AK_auftragsvergabe_2019_web_neu.pdf