Der Einwilligungs-Wahnsinn
Seit einem Jahr gilt das neue EU-Datenschutzrecht. Kaum eine EU-Verordnung polarisierte in allen Bereichen so sehr wie die Datenschutzgrundverordnung. Die Datenschutz-Grundverordnung der EU regelt die Verarbeitung personenbezogener Daten durch private Unternehmen und öffentliche Stellen grundsätzlich neu.
Seit Einführung der DSGVO gibt es wohl keine größere Miss-Interpretation als die der willkürlichen Einverständnis- oder Einwilligungserklärung. Der datenschutzrechtliche Laie unterscheidet sich vom Experten meist dadurch, dass er tonnenweise Zustimmungserklärungen sammelt, ohne zu wissen was die DSGVO eigentlich regelt bzw. verbietet, ob eine Zustimmung notwendig ist und welche anderen (besseren) Alternativen es noch gäbe. Dem ein oder anderem ist dies sicher bekannt: Täglich erhält man Schreiben (ja auch noch im Jahr 2019) mit der Bitte zur Einwilligung zur zukünftigen Verarbeitung der personenbezogenen Daten, wie z.B. Rechnungstellung, Kontaktaufnahme etc. Dieser falsch verbreiteten Annahme kann man einige Argumente entgegenstellen. Es gibt nämlich nicht nur die Zustimmung zur Verarbeitung von personenbezogenen Daten, sondern viele andere Rechtsgrundlagen, die hier ihre Anwendung finden. Betrachtet man Art.6 Abs.1 DSGVO, gibt es folgenden Rechtsgrundlagen: Vertragserfüllung, rechtliche Verpflichtung, Schutz lebenswichtiger Interessen, öffentliches Interesse, berechtigtes Interesse des Verantwortlichen oder Dritten.
In den meisten Fällen kann die Verarbeitung von personenbezogenen Daten auf gesetzliche bzw. vertragliche Grundlagen gestützt werden. Das heißt, bei einem Vertragsverhältnis zwischen Unternehmen ist keine Einwilligung notwendig, um die Daten weiter zu verarbeiten. Sollte die Verarbeitung über das vertraglich vereinbarte Maß oder den Zweck hinausgehen, wird erst dann möglicherweise eine Einwilligung benötigt.
Fazit: Bevor Sie ebenfalls für viele Vorgänge Einwilligungen von Ihren Lieferanten oder Kunden einfordern, die dann natürlich dokumentiert, aufbewahrt und angewendet werden müssen, überlegen Sie, welche Rechtsgrundlage noch gelten könnte. Dies erleichtert beiden Seiten die Zusammenarbeit ohne bürokratische Hürden aufzubauen, die nicht benötigt werden.
Prof. Ulf Glende, externer Datenschutzbeauftragter der Ingenieurkammer
www.glende-consulting.de