Lade Daten...
16.02.2021

Gemeinsam an einem Strang ziehen: Erfolgversprechende Gespräche zwischen Architektenkammer und Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt


Am 19. November 2020 trafen sich in Magdeburg die Präsidenten der Ingenieurkammer Jörg Herrmann und der Architektenkammer Prof. Axel Teichert zu einem Arbeitsgespräch. Mit dabei: die Geschäftsführerinnen Susanne Rabe und Petra Heise. Dieses Treffen, in Corona-Zeiten natürlich unter Einhaltung des entsprechenden Abstands, verdeutlichte jedoch die Nähe der lnteressenlage der Kammern bei wichtigen für die Berufsausübung relevanten Themen ihrer Mitglieder.

Dipl.-Ing. Jörg Herrmann, Präsident der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt

Ausgangspunkt war die vom Landtag im Oktober 2020 verabschiedete Änderung der Landesbauordnung. Beide Kammern waren sich einig, dass hier nachgebessert werden muss, und verabredeten ein gemeinsames Vorgehen.
Die Kammern verständigten sich weiterhin darauf, ihre Aktivitäten zur angepassten HOAI abzustimmen. Ein erster Schritt dazu ist, den von den Bundesinstitutionen angeregten Sonderdruck der HOAI gemeinsam mit einem individualisierten Vorwort der Präsidenten beider Kammern herauszugeben. Gearbeitet wird an einer gemeinsamen Übersicht zu marktüblichen Stundensätzen, die als Hilfestellung für Auftragnehmer und -geber veröffentlicht werden soll.

Lesen Sie hierzu das folgende Interview mit den Präsidenten der Architektenkammer und der Ingenieurkammer Sachsen-Anhalt, geführt voder Länderkammerausgabe des Deutschen Ingenieurblatts (DIB) und Deutschen Architektenblatt (DAB) REGIONAL.


DIE PRÄSIDENTEN ZUR HOAI 2021
Interview mit Prof. Axel Teichert und Dipl.-Ing. Jörg Herrmann


DIB und DAB REGIONAL: Architektenkammer und Ingenieurkammer haben sich entschlossen, die HOAI 2021 als gemeinsamen Sonderdruck herauszugeben, was hat Sie bewogen?

Dipl.-Ing. Jörg Herrmann: Die Honorarordnung für Architekten und Ingenieure (HOAI) ist eine Grundlage zur Vertragsgestaltung, -abwicklung und Vergütung der Leistungen von Architekten und Ingenieuren, das sagt schon ihr Name aus. Mit unserer gedruckten HOAI-Sonderausgabe und dem abgestimmten Vorwort setzen wir ein gemeinsames Zeichen: in Richtung unserer Mitglieder - alle bekommen ihr persönliches Exemplar - und in Richtung der Auftraggeber sowie der Politik.
Prof. Axel Teichert: 30 Jahre gibt es in diesem Jahr unsere Kammern, 30 Jahre gilt die HOAI in Sachsen-Anhalt. Das ist doch ein guter Anlass zu signalisieren: Wir ziehen vereint an einem Strang, wir sind im Gespräch, stimmen uns ab, und das nicht nur bei der HOAI.


DIB und DAB REGIONAL: Das Inkrafttreten der angepassten HOAI 2021 am 1. Januar 2021 markiert den Endpunkt einer seit 2015 andauernden Auseinandersetzung mit der EU-Kommission über die Vereinbarkeit der HOAI-Mindest- und Höchstsätze mit europäischem Recht. Auch künftig steht die Verordnung als verlässliche Orientierung zur Kalkulation angemessener Honorare für Architekten und Ingenieure zur Verfügung. Aber es gibt auch Unsicherheit bei den Mitgliedern.

Prof. Axel Teichert: Weggefallen ist, für viele ist das schmerzlich, gewissermaßen eine staatlich verordnete Mindesthonorargarantie. Die gab es für einige Leistungsbereiche durch die Unverbindlichkeit der Anhänge zur HOAI bereits seit einigen Jahren nicht mehr, und die betreffenden Ingenieure haben sich darauf eingestellt. Eine vermeintliche Sicherheit entfällt zukünftig und wir können nur an das Selbstwertgefühl und das Selbstbewusstsein unserer Mitglieder appellieren.
Dipl.-Ing. Jörg Herrmann: Es ist ein Erfolg, dass die HOAI erhalten bleibt! Die Bundesregierung hat sich dem Verfahren vor dem EuGH gestellt. Auch die Argumente unserer Kammermitglieder haben den Überzeugungsprozess der Bundesregierung unterstützt. Dafür danken wir sehr. Aber auch die Auftraggeber, und hier insbesondere die öffentlichen Auftraggeber, hatten erkannt, dass sich die Honorarordnung als eine wichtige Vertragsbasis bewährt hat.
Prof. Axel Teichert: Zukünftig können die Honorare für Planungsleistungen zwar frei vereinbart werden, die fortgeltenden Honorartafeln mit ihren Preisspannen gelten jedoch weiterhin und sind Grundlage für die Ermittlung einer angemessenen Vergütung. Die Verankerung des Angemessenheitsbegriffs war ein wichtiges berufspolitisches Ziel. Darauf wird ausdrücklich im modifizierten Gesetz zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen sowie der Begründung zur angepassten HOAI hingewiesen. Dort wird darauf eingegangen, dass die Honorarsätze zur Gewährleistung einer hohen Planungsqualität beitragen sollen. Unter anderem deshalb sind diese Dokumente auch im Sonderdruck der HOAI enthalten.


DIB und DAB REGIONAL: Kommen wir noch einmal zurück auf die Angemessenheit ...

Dipl.-Ing. Jörg Herrmann: Natürlich muss eine Leistung angemessen vergütet werden, das steht außer Frage. Denn nur wenn die Honorierung der Aufgabe angemessen ist, kann das Honorar auch auskömmlich sein. Und darum geht es. Unsere Büros müssen wirtschaftlich arbeiten. Büroinhaber müssen ihre Angestellten so vergüten können, dass es keine Abwanderung zu denen gibt, die bessere Gehälter zahlen.
Prof. Axel Teichert: Und auch unternehmerisches Risiko muss belohnt werden. Wenn nichts übrigbleibt, gibt es keine notwendigen Investitionen, u. a. in die Digitalisierung der Büros, in Fortbildung ... Wie wollen wir junge Architekten und Ingenieure motivieren, freiberuflich tätig zu werden und die Rolle von Arbeitgebern auf sich zu nehmen? Wir dürfen die befürchtete Konzentration in große Büros nicht beklagen, wir müssen gegensteuern. Und das gemeinsam mit der Politik.


DIB und DAB REGIONAL: Man hört gelegentlich aber auch Kritik an der Verhandlungsführung?

Prof. Axel Teichert: Bei der Anpassung der HOAI ging es nicht um Verhandlungen. Das Bundeswirtschaftsministerium hatte bei der notwendigen Anpassung der HOAI aufgrund des Urteils des EuGH für einen Interessenausgleich zu sorgen. Die Bundesarchitektenkammer (BAK) und die Bundesingenieurkammer (BlngK) sowie der Ausschuss der Verbände und Kammern der Ingenieure und Architekten für die Honorarordnung e.V. (AHO) konnten Stellungnahmen abgeben und hatten eine beratende Funktion. Diese Rolle wurde intensiv, höchst kompetent und mit Erfolg wahrgenommen.
Dipl.-Ing. Jörg Herrmann: Besonders hervorzuheben ist die Geschlossenheit der Ingenieur- und Architektenkammern, der -verbände, -vereinigungen und -vereine in ihren berufspolitischen Aktivitäten. Vielleicht erinnern sich noch einige, dass das nicht immer so war. Ja, und vielleicht sind einige Akteure enttäuscht, weil sie als Interessenvertreter gern noch mehr für die Berufsstände erreicht hätten. Die Erwartungshaltung war hoch. Nicht vergessen werden soll, dass - entsprechend der Forderung des Berufsstandes der Architekten- und Ingenieure - die Fachplanungsleistungen der Anlage 1 Bauphysik, Geotechnik, Ingenieurvermessung sowie Umweltverträglichkeitsstudie den Grundleistungen der HOAI gleichgestellt werden, da diese Leistungen integraler Bestandteil des Gesamtplanungsprozesses sind.


DIB und DAB REGIONAL: Die HOAI 2021 ist in Kraft, wie geht es weiter?

Dipl.-Ing. Jörg Herrmann: Jetzt ist es an uns, die angepasste HOAI mit Leben auszufüllen, an jedem Architekten und jedem Ingenieur. Honorardumping darf keine Option sein!
Prof. Axel Teichert: Was zukünftig noch wichtiger wird, ist das vertrauensvolle Miteinander von Auftraggebern mit ihren Ingenieuren und Architekten, die auf Wertschätzung der Partner und ihrer Leistung basiert. Planung ist wertvoll! Für die Berufsstandsvertretungen wird nun die Arbeit für die „wirkliche Novelle" der HOAI fortgesetzt, die bereits parallel begonnen hat. Vorrangige Aufgabe war vorerst deren Erhalt.
Dipl.-Ing. Jörg Herrmann: Die Leistungsbilder der HOAI sind unter anderem mit Blick auf digitale Planungen mit Building Information Modeling (BIM) grundlegend zu modernisieren, die Anpassung der Honorartafeln ist notwendig. Besonders wichtig ist eine Honoraranpassung der Flächenplanungen. Diese nehmen nicht an der allgemeinen Preisentwicklung über die anrechenbaren Kosten teil, wie bei den Objekt- und Fachplanungen. Abschließend verweisen wir auf das gemeinsame Papier der Ingenieur- und Architektenkammer zur Höhe von Stundensätzen, die im Rahmen der Leistungserbringung zum Ansatz gebracht werden können.


DIB und DAB REGIONAL: Herzlichen Dank für das Gespräch und viel Erfolg bei den gemeinsamen Aktivitäten!

Das Interview führten Susanne Rabe für die Länderkammerausgabe des Deutschen Ingenieurblatts (DIB) und Petra Heise für das Deutsche Architektenblatt (DAB REGIONAL).



https://www.ing-net.de/o.red/theme/files/datei/1615816058-MerkblattStundensaetzeAKIKfinal.pdf